Jürgen-Friedrich Westermann
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Update 2012
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Der Flügelbau

Resonanzboden

In den vorigen Abschnitten ist bereits einiges über die Klang-eigenschaften des Saitendrahtes gesagt worden. Seine schwachen Töne, die er beim Schwingen von sich gibt, bedürfen einer an-gemessenen Abstrahlung durch ein mitschwingendes System.In Klavieren übernimmt diese Funktion eine großflächige Holz-platte, der Resonanzboden. Ehe aber der Resonanzboden und seine Funktion im Instrument betrachtet werden, ein Blick in die Akustik, die sich seit mehreren hundert Jahren mit den Schwingungen, auch von Platten, beschäftigt.Intensiv hat sich bereits vor 200 Jahren der Naturforscher Ernst F. Chladni mit den Schwingungen von Platten befaßt. Er gilt als Begründer einer auf Experimenten beruhenden wissenschaft-lichen Akustik. In diesem Zusammenhang ist sein Name heute bekannt durch die sogenannten Chladnischen Klangfiguren (Bild 4/7).


Bild 4/7. Einige der Chladnischen Klangfiguren

Sie sind Abbilder der ihnen zugehörigen Schwingungen. Chladni hatte die Schwingungen im Festkörper studiert und fest-gestellt, daß Figuren entstehen, wenn man eine Metallplatte mit feinem Sand bestreut und zu Eigenschwingungen veranlaßt.»Dieser Mann läßt die Töne sehen«, soll Napoleon zu den Ex-perimenten Chladnis gesagt haben. Und Julius Blüthner, Ahn-herr der weltbekannten Flügel- und Pianofabrik in Leipzig, schreibt in seinem bereits mehrfach zitierten Buch »Der Piano-fortebau« unter anderem:..... indessen hat sich die Hauptaufmerksamkeit der experimen-tierenden Physiker auf einen anderen Gegenstand gerichtet, nämlich auf die Knotenlinien, welche sich auf schwingenden Platten bilden. Um solche Knotenlinien sichtbar zu machen, hat man nur nötig, die Platte mit feinem trockenem Sande zu be-streuen; man bemerkt dann, wie beim Tönen derselben die Sand-körnchen in die Höhe geschleudert, d.h. von den schwingenden Teilchen fortgeworfen werden, während sie sich an den Knoten-linien anhäufen. Zur Erzeugung dieser Klangfiguren verwendet man Platten aus Glas, Metall oder dünnem Holze ...‚ um sie zum Tönen zu bringen, streicht man sie am bequemsten an einer passenden Stelle des Randes mit dem Violinbogen an... Uns interessiert hauptsächlich der Umstand, daß eine Platte sehr viele Töne geben kann, und daß jedem Tone eine andere Lage der Knoten-linien entspricht. Es ist klar, daß mit wachsender Elastizität der Platte, ihre Fähig-keit, sich in einzelne schwingende Stücke zu teilen, zunimmt, und daß also eine sehr elastische Platte imstande sein wird, mehr Töne zu geben, als eine weniger elastische.. .«. [7; 5. 148] Ergänzend sei noch erwähnt, welche Schlußfolgerungen Dr. Oskar Paul in seinen Betrachtungen über die Entwicklung des Klaviers zu diesem Thema beisteuert: ..... die sogenannten Chladnischen Klangfiguren entstehen, deren Abdruck auf Papier Savart' in äußerst geschickter Weise bewerkstelligte. Derselbe wandte nämlich statt des Sandes Lackmus an ... wenn dieses farbige und hygroskopische Pulver auf der Platte sich in den Knotenlinien angesammelt hat, so reicht es hin, auf die Platte ein ... befeuchtetes Blatt Papier zu legen, um die Figur durch einen leichten Druck auf demselben zu fixieren. Auf diese Weise ist es Savart gelungen, mehrere Hundert solcher Figuren der-selben Platte zu sammeln, welche verschiedenen Tönen ent-sprechen. Daß diese Vielseitigkeit der Tonerregung günstig ist, ja, daß ohne Resonanzplatte die Tonerregung bis zum Minimum herabsinkt, können wir leicht erfahren, indem wir eine Saite mit wenig Masse an irgend einen Körper, der nicht sehr leicht zum Mitschwingen zu bewegen ist, spannen - z. B. an eine massive Mauer - ... der Ton wird in diesem Falle schon in geringer Ent-fernung nicht mehr zu hören sein. Verbinden wir hingegen die nämliche Saite durch einen langen hölzernen Leiter mit einem so entfernt als möglich stehenden Resonanzboden, so wird der Ton sehr laut und zwar nicht von der Saite, sondern vom Resonanzboden aus erschallen.. .«. [8; S.14-l5] Für einen Klavierton ist allerdings eine Klangfigur auf dem Boden nicht zu erzeugen, da die Gesamtheit möglicher Figuren zwar angeregt wird, jedoch für den einzelnen Pianoton kein charakteristisches Bild formt. Der Resonanzboden mit den darauf befestigten Stegen dient dazu, Töne auf vielfältige Weise aufblühen zu lassen und ohne Zusätze moderner Verstärkertechnik abzustrahlen. Daher ist die Wahl des Materials für Resonanzböden von aus-schlaggebender Bedeutung. Holz wird dafür bevorzugt, um Ab-strahlen von Eigenschwingungen zu vermeiden und eine Reso-nanz im Bereich von etwa 20 ... 5000 Hz für die Ubertragung der Saitenschwingungen zu gewährleisten. Andere Materialien, wie Metall, Plast usw., erwiesen sich bisher als ungeeignet. Klopft man gegen eine Plastplatte, so vernimmt man einen stumpfen Ton, während eine Platte aus Stahlblech einen schär-feren Klang hat. Das Material weist eine verschiedenartige Dämpfung auf. Der Ton verklingt trotz gleicher Anschlagstärke und sonstiger äußerer Bedingungen unterschiedlich schnell. Die Blechplatte klingt länger nach als die aus Plast. Dämpfung kann auftreten als: 1. Verlustdämpfung, sie entsteht durch innere Reibung des Materials, und 2. Strahlungsdämpfung, die so benannte Übertragung der Schwingungsenergie an die umgebende Luft, wobei sie in hör-bare Schallwellen umgesetzt wird. Je leichter das Material, desto leichter kann es schwingen und um so leichter erfolgt auch die Abgabe der Schwingungen an die umgebende Luft. Bei einem Resonanzboden soll die Strahlungsdämpfung groß, die Verlustdämpfung jedoch gering sein. Da Laubholz eine ge-ringere Strahlungsdämpfung aufweist als Nadelholz, werden überwiegend Zypressen-, Fichten- und Tannenhölzer in Klaviere eingebaut. Im modernen Hammerklavier dominiert Fich-tenholz als Resonanzboden. Die Gründe sind einleuchtend: Dieses Holz ist regelmäßig strukturiert und langfaserig, in der Farbe hellgelblich bis ocker, Späne und daraus gefertigte Platten sind sehr elastisch. Fichten mit gerade verlaufendem feinen Fadenwuchs und gleich-mäßiger Verteilung des Harzgehaltes verfügen über hohe Elastizität und beste Klangeigenschaften. Neben der, lange im Musikinstrumentenbau verwendeten, rumä-nischen Bukowina-Fichte sind auch Resonanzhölzer aus der Sowjetunion, den USA, Kanada usw. in urwaldartigen Bestän-den aufgewachsen und daher unten astfrei, von großer Elastizi-tät und gleichmäßigem anatomischen Bau. Da diese Bäume auf kühlem, oft frostigem und vielfach mineralischem Boden stan-den, vermochten sie die besten Eigenschaften auszubilden. Es fehlen störende Gefäße, die Holzstrahlen sind regelmäßig ver-teilt, die Faser ist lang und läuft gerade. Besonders die Sibirische Resonanzholzfichte ergibt helle, gleichmäßige Böden, wie sie z.B. in Förster-Flügeln zu finden sind. Tonholz zeigt die beste Qualität, wenn es im Winter, in der so-genannten Saftruhe geschlagen wird. Optisch ansprechende Maserung und Farbe erfreuen den Nutzer, und Fleckenbildung, Verwerfungen oder andere Mängel treten kaum auf. Die Fichtenstämme werden schon am Einschlagsort in zweckmäßige Längen geteilt, gestapelt und vorgetrocknet. Daran schließt sich eine jahrelange Holztrockung im Freien an. Oftmals findet dieser Prozeß nicht direkt beim Flügel- oder Piano-Hersteller statt, sondern in speziellen Resonanzboden-werken. Der natürlichen Trocknung folgt eine technische in Trockenkammern unter Warmluftzufuhr (Bild 4/9). Langsam werden die Temperaturen erhöht und schrittweise wieder ge-senkt. Die Fertigung des Resonanzbodens erfordert eine fachmänni-sche Behandlung der ausgesuchten Hölzer. Die einzelnen Teile, aus denen der Boden zusammengesetzt wird, nennt man Späne. Sie bestehen aus radial gespaltenem Holz möglichst nur eines Stammes, um einen homogenen, also gleichmäßig zusammen-gesetzten, Resonanzboden zu erhalten. Derartige Bestrebungen sind nicht neu. Der Leipziger Klavier-bauer Alfred Dolge hat schon um 1900, als er nachAmerika aus gewandert war, dort homogenisierte Böden hergestellt. An der nordamerikanischen Westküste fand er Fichten, die ihm astreine Bretter in Längen von 20 Fuß und mehr als 6 Zoll Breite (zwei Handbreiten) lieferten. Aus diesem Holz konnte er Reso-nanzböden mit einer außerordentlich gleichmäßige Spann-kraft erzeugen Das Tonholz wird von alters her radial aufgeschnitten, so daß aufrecht stehende Jahrringe zu sehen sind. (Bild 4/10). Damit wird die beste Tragfähigkeit gewährleistet. Dem Saitendruck kann später ein entsprechender Widerstand entgegengesetzt werden. Tangential aufgeschnittenes Holz splittert eher und ist infolge seiner Kurzbrüchigkeit weniger für die Tonvermittlung geeignet. Nachdem Klangholz ausgewählt, getrocknet und abgerichtet worden ist, beginnt die eigentliche Arbeit des Bodenmachers. Größe und Form des Instruments sind maßgebend für die Aus-wahl der Späne. Für den Diskant wird möglichst Holz mit engen, für den Baß solches mit breiten Jahrringen verwendet. Es erweist sich als vorteilhaft, wenn man die einzelnen Späne »ab-klingen« läßt. Der Span wird dabei auf eine mittelharte Holz-platte abgeworfen und sein Klangcharakter beurteilt. Es genügt aber auch ein leichtes Klopfen gegen den Span, den man dazu lose herabhängen läßt. Hell klingende werden überwiegend vom Diskant abwärts verarbeitet, während dumpfere besser die Baß-partie bilden. Die verschiedenen Flügelgrößen mit ihren differierenden »Schwanzenden« bedürfen einer Schablone zum Auflegen der einzelnen Späne: Sie werden zunächst aneinandergepaßt, gefügt und dann mit Hilfe von Zwingen und Zulagen geleimt. Die Fügestellen muß man durch Vorwärmen oder andere Maß-nahmen besonders vorbereiten, um einen Resonanzboden »wie aus einem Guß« zu erhalten, der anschließend meist maschinell geschliffen wird. Für die Dicke des Bodens gibt Blüthner 9 bis 11 mm an, Alfred Dolge 9 mm, Hansing 10 mm; bei neueren Bechstein- und Steinway-Flügeln wurden maximal 10 mm ge-messen. Alte Blüthner-Schriften merken überdies an, daß in diesen In-strumenten die Dicke des Resonanzbodens von etwa 10 mm im Diskant zum Baß hin auf 8 mm abnimmt. Ähnliche Größen-ordnungen sind auch bei anderen Markenfabrikaten zu beobach-ten. Es gibt aber renommierte Hersteller, die dem Boden an allen Seiten ein gleiches Maß geben.