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Der Flügelbau
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Stimmhaltung
In einem Piano oder Flügeln wird jede Saite
mit etwa 735 N gespannt. Im Diskant werden in der Regel 3 Saiten
pro Ton ( Taste) gebraucht. Und bei 88 Tasten (Töne) ergeben
sich also Zugkräfte im gesamten Klavier oder Flügel
zwischen 150 ... 180 kN und höher.
( 735 N x 245 Saiten = 180 kN )
Das entspricht etwa dem Gewicht von 10 Mittelklasse- Autos. Diese
hohen Zugkräfte müssen vom Rast und vom Rahmen gehalten
werde. Ungleiche Veränderungen der Zugkräfte beeinträchtigen
die Stimmhaltung.
Stimmstock und Wirbel sind nicht einzig für eine gute Stimmhaltung
tragend. Temperatur Änderungen und Luftfeuchte wirken sich
natürlich auch auf eine gute Stimmhaltung aus.
Instrumente mit minderen Stegen und Resonanzböden sind besonders
"anfällig". Die Saitenauflage am Steg ist die empfindlichste
Region. Jahreszeitlich bedingte Änderungen in der Luftfeuchte
variieren die Wölbung ( Bild 1) im Resonanzboden. Diese Schwankungen
übertragen sich auf die Bodenstege und bewegen diese unmerklich
von der gespannten Saite weg oder wieder auf sie zu. Das bestreben
des Holzes Feuchtigkeit aufzunehmen und abzugeben wird in der
modernen Herstellung genutzt. Doch hier ergibt daraus ein Problem.
Die Tonhöhe der Saite muß sich zwangsläufig verändern;
und dies geschieht nicht nur nach unten. Wie schon beschrieben,
kann bei feuchtem Wetter, subtropischem oder maritimem Klima -
sogar bei Renovierungsarbeiten in der Wohnung - die Stimmung im
gesamten Instrument oder auch in Teilabschnitten steigen. Sehr
schmale oder auch schlecht verleimte Resonanzbodenstege fördern
diese Erscheinung zusätzlich. Ein Instrument mit guter Stimmhaltung
muß daher über einen soliden Resonanzboden verfügen.
Eine erhebliche Veränderung des Saitenzuges können auch
die Stegstifte bewirken. Sollten die Stegstifte sogar wackeln,
ist das Klavier nicht mehr stimmbar.
Fehlerquellen
einer guten Stimmhaltung |
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Stimmstock |
Austrocknung, Verziehen, Aufreißen ---» lose Wirbel |
Stimmwirbel |
"scharfes" Gewinde ---» Wirbel keinen festen
Halt |
Agraffe |
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Bodenrippen |
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Resonanzboden |
höhere Luftfeuchtigkeit ---» die Stimmung
wird höher
niedrigere Luftfeuchtigkeit ---» die Stimmung
wird tiefer |
Saite |
"weiche" Saiten ---» der Ton wird tiefer |
Stegstifte |
Stegstifte lose oder wackeln ---» Unstimmbar |
Steg |
schlechte Verleimung --- » klingende Länge ändert
sich.
Aufdoppelung nicht fest verleimt --- » Tonhöhe
schwankt |
Aufhängestift |
Rost ---» weiche Anhängung |
Rahmen |
Rahmenbruch ---» Unstimmbar |
Bild 1 |
Die Außenhaut des Wirbels ist
nur gewindeartig aufgerauht. Ein Gewinde würde sich in die
Holzstruktur des Stimmstocks einschneiden und den Wirbel wackeln
oder ihn zu leicht drehbar werden lassen. Die häufigste Ursache
fiir schlechte Stimmhaltung der Saiten ist in locker sitzenden
Wirbeln zu sehen. Eine gut gearbeitete Gußplatte führt
kaum zu schlechter Stimmhaltung. In seltenen Fällen bricht
diese Platte. Dann ist eine Stimmhaltung nicht mehr möglich.
Die Dehnung der Saiten wird nicht allein
im »klingenden Abschnitt« verursacht. Das »tote
Saitenende« zwischen Resonanzbodensteg und Saitenaufhängung
an der Platte klingt nicht mit. Ebenso ist es zwischen Agraffe
bzw. Druckstab und Wirbel. Ein guter Konstrukteur wird versuchen,
diese klanglosen Abschnitte der Saiten recht kurz zu halten. Denn
ein langer nicht klingender Anhang hat, z.B. von der Platte bis
zu den Stegstiften, einen nur kleinen Winkel für den Druck
der Saite auf den Steg. Klimatisch bedingte Veränderungen
der Resonanzbodenwölbung machen sich hier stärker bemerkbar
als bei kurzen toten Enden. Der klanglose Saitenabschnitt zwischen
Wirbel und Andruckpunkt ist ebenfalls so kurz wie möglich
zu halten. Denn beim Stimmen dehnt sich auch dieser Teil des Drahtes,
und ein langes totes Stück erschwert dem Stimmer die Kontrolle
über die Reaktion der Saite an ihren Friktionspunkten. Im
höchsten Diskant allerdings beeinträchtigen zu kurze
tote Abschnitte die gute Stimmbarkeit. Deshalb ist bereits beim
Klavierentwurf ein Ausgleich vorzusehen. Vielfach läuft vor
dem Wirbel das »klanglose« Ende über ein Filzpolster,
das unter ungünstigen Bedingungen Feuchtigkeit aufnehmen
kann. Bei älteren Instrumenten findet man daher oft Rost
an den Enden der Saiten. Ein angerosteter Draht läßt
sich beim Stimmen nur schwer durch Agraffe oder Schränkung
bewegen, deshalb wird dadurch ebenfalls die Stimmhaltung beein-trächtigt.
Eine solide Rastenkonstruktion übt ebenfalls wesentlichen
Einfluß auf eine konstante Stimmung aus. Das Phänomen
Stimmhaltung kann also nur in komplexen Zusammenhängen erfaßt
werden:
-
stabile Gesamtkonstruktion
- widerstandsfähige Rast
- homogener Resonanzboden
- akkurate Stege
- ausgewogene Platte
- fester Stimmstock und
- hochwertiges Saitenmaterial.
Der normale Hörer empfindet ein
Klavier oder einzelne Töne als verstimmt, wenn zwischen zwei
oder mehreren Saiten erhebliche Abweichungen in der richtig temperierten
Frequenz bestehen. Manch einer hört sogar, wenn die Abweichung
auch nur ganz geringe Schwebungsunterschiede aufweist. Dem begegnet
der Stimmer, indem er einer Saite zum Beispiel die gleiche Frequenz
gibt, wie sie die Nachbarsaite bereits hat (bei mehreren Chören
für einen Ton). Es ist aber möglich, daß die unangenehme
Erscheinung auch bei nur einer Saite wahrgenommen wird, sie »schwebt«.
Die Gründe dafür können vielgestaltig sein. Handelt
es sich um fehlerhaften Saitendraht, so ist dem durch Einsetzen
einer Saite mit besserer Qualität unmittelbar zu begegnen.
Die Partialtonreihe der ersten Saite war dermaßen unregelmäßig,
daß sie untereinander diese Schwebungen hervorbrachte. Modulationsschwankungen
in der Frequenz nur einer Saite können aber auch dadurch
entstehen, daß sie sich beim Aufziehen in sich verdreht
hat. Ein Vibrato ist die Folge. Sie läßt sich mit keiner
Nachbarsaite in Einklang bringen. Aber nicht allein der Draht
und seine Beschaffenheit lassen es zu diesem Vibrato kommen. Wenn
die Saite an ihren Endpunkten zum klingenden Teil nicht konstant
begrenzt ist, treten ebenfalls unerwünschte Frequenzmodulationen
auf. UnreineTöne sind die Folge. Hier hilft nur Kontrolle
an Stegstift, Agraffe oder Druckstab. Gerade bei Klavieren, die
mit Druckstäben ausgestattet sind, kommt es aus folgenden
Gründen zu Unreinheiten: Die Winklung der Saite hinter der
Auflage ist zu flach, die Saitenbegrenzung dadurch instabil, Schwebungen
können sich einschleichen. Große Probleme treten auf,
wenn der Draht eine Druckstabschraube berührt und von ihr
unzulässig gewinkelt wird. Damit vergleichbar ist ein nicht
gradliniger, sondern nach rechts oder links abweichender Verlauf
durch die Agraffe. Auch hierbei sind hörbare Schwebungen
innerhalb nur einer Saite möglich. Wenn eine unvertretbare
Erweiterung oder Verjüngung des Chorverlaufes entdeckt wird,
kann man sicher sein, daß dabei ein störender Teiltonaufbau
eingesetzt hat, der sich dem Ohr als Unreinheit darstellt. Schließlich
ist der Saitenbegrenzung am Steg besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Federnde oder gar lockere Stegstifte bzw. eine zu schwache Schränkung
drücken die Saite nicht gleichmäßig an den Steg,
die Saitenbegrenzung wird labil, und damit leidet auch die Klangreinheit.
Diesem Mangel ist aber zu begegnen, indem die Stegstifte korrekt
befestigt werden, eine einwandfreie Schränkung hergestellt
und die Grundkonzeption des Instruments in diesem speziellen Bereich
einer kritischen Prüfung unterzogen wird. Es muß dem
unharmonischen Ergebnis der »reitenden« Saiten zunächst
an allen ihren Begrenzungpunkten nachgegangen werden, ehe man
gegebenenfalls neu bezieht.
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