Jürgen-Friedrich Westermann
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Update 2012
C: jorbas.de

 
Das Klavier in seiner Entwicklung


Bild 1. Der Inharmonizitätsverlauf ist nie mathematisch gleichförmig. Größere Abwechungen von der ldealkurve zeigen sich, je niedriger die Klaviere gebaut sind.
Die rote Linie zeigt den Verlauf der Inhormonizität eines Kleinpianos von 98 cm, die blaue Linie gilt für ein Klavier von 103 cm . Die ausgeglichenere, grüne Kurve zeigt einen großen Flügel ( >200 cm)
(vergrößern)
(für die große detailierte Dartsellung wird eine längere Ladezeit gebraucht)

Inharmonizität

2.2.1.1. Inharmonizität der Saite:
Je nach Durchmesser, Material und Saitenspannung besitzt die Saite eine verminderte Flexibilität, eine bestimmte Steifigkeit.
Dadurch: Frequenzen der Eigenschwingungen werden angehoben, jedoch höhere mehr als tiefere -> Teiltonreihe der Seite ist nicht genau harmonisch, ist etwas gespreizt.
Solange die Steifigkeit gering ist, verhält sich die Teiltonreihe nahezu harmonisch.

Je größer die Steifigkeit wird, desto mehr verhält sich die Saite wie ein Metallstab


Die Inharmonizität ist bei den Tasteninstrumenten vorwiegend für die Stimmtechnik an modernen Klavieren relevant. Ihre physikalisch-akustischen Eigenschaften werden seit geraumer Zeit wissenschaftlich untersucht. Hier kann nur kurz aus praktischer Sicht erläutert werden, wie sich diese Erscheinung (besonders beim Stimmen) bemerkbar macht: Infolge der Biegesteifigkeit von Klaviersaitendraht kommt es zu einer Partialton verstimmung ( Inharmonizität). Wie in Abschnitt 3.1. beschrieben, bilden schwingende Saiten zu ihren Grundtönen Teiltonreihen. Der Grundton und die Folge von Obertönen bauen sich dabei in ihren Frequenzen keineswegs durchweg im Verhältnis ganzer Zahlen zueinander auf. Die Partialtöne entsprechen nicht genau dem ganzzahlig Vielfachen der Grundfrequenz - sie liegen immer etwas höher. Diese Differenz zwischen harmonischen und tat-sächlichen Teiltonfrequenzen wird als Inharmonizität bezeichnet. Bei den höheren Partialtönen erhöht sich die Inharmonizität im Quadrat der Ordnungszahl des Teiltones. Theoretisch sollte es sich zwar um eine arithmetische Reihe (1: 2: 3: 4...) handeln, aber die Biegesteifigkeit des Saitendrahtes (oder andere Masse-Eigenschaften schwingender Körper) rufen eine Verschiebung des Partialtonverhältnisses nach oben und damit jene nicht harmonischen Oberwellen hervor. Zum Normalstimmton a' = 440 Hz als Grund- oder erster Teilton hätte theoretisch ein harmonischer zweiter Teilton die Frequenz 880 Hz. Tatsächlich liegt sie aber um fast 2 cent1 höher; beim vierten Teilton steht sie etwa 8 cent über 4 x 440 = 1760 Hz. Durch diese Eigenschaft der Saiten - wozu auch die Begrenzungsfaktoren ihrer schwingenden Länge gehören - muß im Diskant fortlaufend etwas höher, im Baß kontinuierlich geringfügig tiefer gestimmt werden, um ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen.2 Die Erscheinung ist den Klavierbauern und -stimmern nicht neu; denn Julius Blüthner beschreibt dies bereits um die Jahrhundertwende in seinem Fachbuch »Der Pianofortebau«, ohne den Ausdruck »Inharmonizität« zu gebrauchen: ». . . also stimmt man eigentlich nur in den mittleren Tonlagen genau wie es die gleichschwebende Temperatur erfordert, während man nach oben wie nach unten hin die Intervalle immer größer werden läßt...«
Dieses »Aufspreizen« der Oktavbereiche beim Klavierstimmen bis hoch zum a4 und weiter kann 5 ... 700 betragen und wird vom menschlichen Ohr hörphysiologisch und musikalisch positiv verwertet. Eine solche Spreizung brachten die Klavierstimmer früherer Generationen in den von ihnen betreuten In-strumenten unbewußt an, und ohne in das Problem der Inharmonizität wissenschaftlich eingedrungen zu sein. So haben sie als Praktiker schon immer zur Brillanz und Farbigkeit des Musizierens beigetragen. Stimmer der jüngeren Generation »strecken« die Oktaven bereits bewußt, weil sie sich mit dem Er-scheinungsbild der Inharmonizität auseinandergesetzt haben. Eine »mathematische« Stimmung hätte zunächst theoretisch eine gleichmäßig verlaufende Kurve für die erwähnte Oktavspreizung aufzuweisen. Messungen an praktischen Beispielen zeigen aber immer nur annähernd solch »glatten« Verlauf, z.B. aus der Temperaturoktave in den Diskant. Der Inharmonizitätsablauf ist nicht vorwiegend gleichförmig. Abweichungen lassen sich dort messen, wo »wilde« Saiten und andere bereits beschriebene Unzulänglichkeiten die akustische Qualität eines Klaviers schmälern. Überwiegend treten Sprünge im lnharmonizitätsverlauf beim Klein- und Kleinstklavier auf, bei niedrigeren Instrumenten, um so stärker; insbesondere hör- und elektronisch meßbar bei Pianos, in denen diskantseitig schon vor der Kreuzung übersponnene Saiten verwendet werden. Das ist u. a. ein Grund dafür, weshalb seit Beginn der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts die Hersteller wieder Instrumente der »Upright«-Klasse etwa 120cm hoch und höher bauen. Verschiedene Hersteller bemühen sich um ausgleichende Methoden, wobei das Gespinst im Übergang wechselnd aus Kupfer oder Messing angefertigt wird. Das Klangergebnis ist un-befriedigend, oft nicht einmal durch geschickte Intonation zu verstecken und technologisch nicht zu rechtfertigen. Auch die Fabrikate, in denen versucht wird, dem Übergangsbali mit dreichörigen Kupfersaiten mehr »Gesang« zu geben, bauen mit der dritten Saite für das Chorrein-Stimmen vielfach ein zusätzliches Hindernis ein. Denn für die besponnenen Saiten gibt es herbere Inharmonizitätsvarianten als beim glatten Bezug. Beim umkupferten dominieren oft die oberen Partialtöne, während der Grundton so gut wie abwesend ist. Auch dies kann durch elektronische Messung eindeutig nachgewiesen werden.

100 cent sind ein Halbtonschritt in der zwölftönig-gleichsiufigen Temperatur

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