Bild 3 Der Inharmonizitätsverlauf ist nie mathematisch
gleichförmig. Größere Abwechungen von
der ldealkurve zeigen sich, je niedriger die Klaviere
gebaut sind. Die rote Linie zeigt den Inharmonizitätsverlauf
eines Kleinpianos von 98 cm, und die blaueVollinie gilt
für ein Klavier von 103 cm Höhe. Die grüne,ausgeglichenere
Kurve zeigt einen Flügel, der mehr als 200 cm lang
ist
(vergrößern)
|
|
Phonoskopie des Klaviertons
Für diese Untersuchungen war es nötig,
den Klavierton »sicht-bar« zu machen. Mit der bekannten
Oszillografentechnik, über Mikroprozessoren und anderen -
sogar aus der Unterhaltungs-elektronik bekannten - Anzeigeverfahren
ist dies möglich. Einige Ergebnisse wurden in Bild 3/5 grafisch
dargestellt. Der außer-ordentlich unregelmäßige
Verlauf im ersten Beispiel wurde aus einem 103 cm hohen Kleinklavier
neuerer Bauart gewonnen. Allerdings beginnt das Kupfergespinst
für den Baß bereits beim kleinen f, und dort ist auch
ein erheblicher Sprung zu konstatie-ren, wie ebenfalls beim cis,
d und dis, wo Messing als Spinn-draht eingesetzt ist. Etwas Ruhe
tritt erst nach unten wieder ein, wo fortlaufend zweichörig
mit Kupfer gearbeitet wurde. Das nächste Beispiel zeigt ausgeglichenere
Kurven. Das Ver-suchsinstrument ist ein nur 98 cm hohes Geyer-Kleinklavier.
Der umsponnene Baßbereich ist nach Versuchen des Herstellers
reduziert worden. Vor der Kreuzung setzt der Produzent für
das Instrument jetzt nur noch Blankbezug ein. Die Klangcharakteristik
ist für diese Instrumentenklasse durchaus befriedigend. Wie
zu erwarten, glätten sich die Inharmonizitäts-Kurven
im Diagramm für einen modernen, 210 cm langen, Blüthner-Flügel
(Aliquotsaiten hierbei unberücksichtigt). Wobei nicht außer
acht gelassen werden darf, daß auch die akustische Anlage
eines solchen Instruments dem Kleinklavier erheblich überlegen
sein muß. Dieser Flügel bringt schon einen bedeutenden
Vorteil mit: vorwiegend Agraffen-Führung zum klingenden Teil
der Saite. Selbstverständlich sind auch die Stegverhältnisse
wesentlich gün-stiger gestaltet, was sich immer nur bei ausgiebigeren
Boden-anlagen bewerkstelligen läßt. Dennoch gibt es
gerade bei diesem Flügel-Modell auch Problemzonen: Ziemlich
lange tote Enden vom Bodensteg bis zur Saitenaufhängung an
der Platte. Aber sehr interessant: Es zeigen sich geringere Schwankungen
beim Stimmen unter den Diskantchören. Zu untersuchen ist,
ob dies an der Einzelaufhängung jeder Saite an einem separaten
Stift liegt. Gewißheit werden künftige Vergleiche der
Blüthner-Variante mit neuen Bechstein- und Bösendorfer-Flügeln
bringen, die auch nicht mit umgelegten Diskantsaiten ausgerüstet
sind. Jede ein-zelne Saite ist mit einer Öse am Anhängestift
der Platte be-festigt. Bisher zeigt das Oszillogramm ein konstanteres
Stehen-bleiben der linken Saite dieser dreichörigen Bezüge;
und zwar, wenn beim Stimmen die Reihenfolge links - Mitte - rechts
be-nutzt und sehr stark angeschlagen wird. Es leuchtet ein, daß
die hier dargestellten - und in jedem Instru-ment anders gelagerten
- Inharmonizitätserscheinungen einen gravierenden Einfluß
auf die Stimmtechnik haben müssen. Sie beeinflussen oft auch
nachhaltig das Urteil von Interpreten über die Qualität
einer Stimmung. Daher ist der Klavierstimmer immer genötigt,
Kompromisse zu schließen, seinen guten Geschmack walten
zu lassen und bei jedem Flügel oder Piano erneut seine Erfahrungen
für das opti-male Ergebnis einzubringen.
|
|