Jürgen-Friedrich Westermann
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Update 2012
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Der Flügelbau

Klaviatur ( noch in Arbeit)

Den gesamten Satz aller 85 bis 88 Flügeltasten bezeichnet man mit dem Sammelbegriff Klaviatur. Sie ist allerdings nicht für das Klavier erfunden worden, sondern wurde von der Orgel übernommen. Hier hatte sie sich lange bewährt und entsprechend ausgereift entwickelt. Beim Vergleich eines Kielflügels aus dein 17/18. Jahrhundert mit einem Konzertflügel heutiger Produktion fällt auf, daß die Klaviatur des einen sozusagen das negative Bild des anderen zu sein scheint: In den meisten alten Kielflügeln waren die schmalen Obertasten (Halbtöne) weiß und die breiteren lJntertasten dun-kel. Der Volksmund behauptet, daß dadurch die »zarten Hände der Spielerinnen« besser zu Geltung kämen. Hochwertige So-listenflügel der Gegenwart haben auf den Untertasten Elfenbein-belag, während die Halbtöne aus Ebenholz oder schwarzem Plast bestehen. Jede Klaviatur muß in ihren Ausdehnungen, mit den Tasten und ihren begrenzenden Leisten und Klötzen so gestaltet sein daß sie für einen Erwachsenen gut spiel[,ar ist. Arn,e, Hände uüd Finger sollen sich ohne Verkrampfung zu jeder Taste bewegen können. Die physische Kraft der menschlichen Extremitäten muß genügen, um Tasten (und ggf. Pedale mit den Füßen) aus-reichend in Bewegung zu setzen. Die hölzernen Tasten sind zweiarmige Hebel. Sie können hei großen Flügeln bis fast 6Ocm lang sein, während die neueren Kleinstklaviere manchmal schon mit Hebeln von weniger als 35cm ausgerüstet sind. Wenn das Instrument nicht auseinander-genommen ist, sieht der Laie bei geöffneter Tastenklappe aller-dings nur knapp 15cm lange weiße und etwa lOcm lange schwarze Tasten. Ein wesentlich längeres Stuck wirkt im Inne-ren. Die (weißen) Lintertasten zeigen das Bild der diatonisehen (C-Dur-) Skala c, d, e, f g, a, Ii, e' usw. Sie sind mit Elfenbein oder geeigneten Plasten belegt. Die (schwarzen) Obertasten bestehen vorwiegend aus Preßstoff, bei älteren Fliigeln aus schwarz ge-färbten Nußbaumhölzern und bei noch älteren, teueren Fabrika-ten aus Ebenholz und erzeugen die Halbtöne cis, dis, fls, gis, als... Nun könnte man der Meinung sein, daß die Tasten alle einzeln aus kleinen Leisten gefertigt werden. .t». Hermann Matzke be-schreibt die Herstellung so: »Für die Taste nimmt man gern mit der Axt gespaltenes .. Fichtenholz, für die Bäckchen Linde, für den Aufbau Rotbuche. Das Tastenholz muß, um jegliches Schlei-fen mit der Nachbartaste zu vermeiden, besonders verzugsfrei sein.


Bild 4. Aufgesetzte Tasten-bäckchen a) findet man vor-wiegend in Flügeln, während die eingelasscnc Form b) im aufrechten Kleinklavier dominiert

Es wird zunächst maschinell zu Tafeln gefügt, wobei die Spiegel-seite die Oberseite der Klaviatur bildet. Nach dem Verleimen er-folgt das Schneiden auf Größe und das Verputzen auf die ge-wünschte Stärke.«. (1; 5.442) Diese Arbeiten werden schon seit langem in speziellen Werk-stätten ausgeführt (Bilder 4 ). Dort sind die Zeich-nungen und Klaviatur-Aufrisse der gängigenMarken vorhanden, und nur in außergewöhnlichen Fällen muß - wie vormals - ein genaues Tastenprolil, immer aber eine Teilungsleiste, geliefert werden. Ei-st dann ist das Anreißen auf den Tafeln sinnvoll. Die vorderen LangWoher werden mittels Bohrmaschinen oder -automaten bereits in dieser Phase in die künftigen Tasten eingebracht. Die Anfertigung des Klaviaturrahmens erfolgt nahezu parallel mit dcii soeben beschriebenen Arbeitsgängen. Deshalb muß an dieser Stelle eine Bemerkung dazu eingeschoben werden: Die Klaviatur ist auf diesen hölzernen Rahmen aufgebaut. Fr ist in den Flügeln beweglich, kann aber auch aus manchen aufrecht stehenden .Pianos mit allen Tasten gleichzeitig herausgezogen werden. - Verschiedene Kleinklaviermodelle haben den Klavia-turrahmen rnjniittelbar auf dem Stuhlrahmen (Tablettboden) angeordnet. Die Hölzer für den Klaviaturrahmen dürfen sich nicht verziehen: man verwendet vorrangig Fichte und Kiefer. Wo die Leisten des Rahmens besonders beansprucht werden, also an Stellen mit Stiften, sind sie bei hochwertigen Instrumenten extra mit riß-freiem Hartholz ausgefüttert. Von vorn nach hinten sind drei deutlich sichtbare Leisten im Rahmen angeordnet, die als Auf-lagen für die Tasten dienen. Das wichtigste Stück ist die Mittel-leiste. der sogenannte Waagebalkcn, weil er den Hauptpunkt für die Drehbewegung der Tasten abgibt. Dieser Waagebalken ist mit aufrecht stehenden Metallstiften versehen, auf die jede ent-sprechend vertikal durchbohrte Taste gesteckt wird. Auch die vordere Leiste des Rahmens ist bestiftet. Die hier eingesetzten dickeren Metalldrähte haben ein ovales Profil im Gegensatz zu den runden Waagebalkenstiften. Auf der Vorderleiste dienen die Drähte nur dazu, den Tasten eine korrekte Führung zu geben, damit sie kein zu großes seitliches Spiel haben. Wie das dafür erforderliche längliche Loch von unten in die Taste gebohrt wird, ist umseitig beschrieben: Es ist bereits vorhanden, wenn die Tasten noch ungetrennt im Verband der Holztafel ruhen. Im Inneren des instrurnentenkastens sind die Tasten nicht mehr mit Natur- oder synthetischen Stoffen belegt. Sie erhalten auch im »unsichtbaren« Bereich eine ganz ändere Form als vorn. Beim kreuzsaitigen Flügel bzw. Piano wird bei der Tastenteilung auf die Plattenspreizen Rücksicht genommen. Au diesen Steilen spreizt sich auch der hintere Tastenverlauf dergestalt, daß der End- und Angriffspunkt der Taste genau unter dem zugehörigen Saitenchor liegt. Das bringt bei sehr kleinen Instrumenten mit-unter ungewöhnliche Abwinkelungen der Hintertasten mit sich. Diese verschiedenartigen Verläufe werden auf der Tastentafel angerissen, die Tafel wird müden Waagehalkenlöchern versehen. An dieser Stelle erhält die Taste überdies eine Verstärkung. die man Bäckchen nennt. Abschließend wird alles mit Feinsägen geteilt. Tastenbäckchen gibt es in zweierlei Ausführungen: aufgesetzte hrückenförmige oder eingelassene flache, die nicht mehr über den geraden Tastenverlauf hinausragen (Bild 4/23.). In beiden Fällen müssen die Bäckchen aus sehr festem Holz sein. Sie sind für den Waagebalkenstift ebenfalls durchbohrt und etwas läng-lich ausgearbeitet. Damit der Stift an dieser Stelle gut paßt, wird der Bäckchenschlitz mit feinem Leder oder Kaschmirtuch be-klebt. - Der fälschlich benutzte Ausdruck »Kasimir« wird nicht mehr verwendet. Kaschmir ist eine Landschaft in Indien, die dort produzierte sehr feine Wolle hat danach ihren Namen. Auch die schon beschriebenen Vorderlöcher in den Tasten wer-den damit ausgetucht. Je nach Größe und technischer Ausstattung der Klaviaturen-werke sind die beschriebenen Arbeitsgänge halb- oder voll-mechanisiert. Ihre Reihenfolge weicht bei den einzelnen euro-päischen Herstellern leicht voneinander ab. In tJbersee und Ja-pan werden verschiedentlich andere Technologien angewandt, wobei es allerdings gleichgültig ist, ob zuerst am Vordertasten-stift gearbeitet wird und dann im Waagebalkenbereich oder umgekehrt. In allen Fällen entsteht eine spielhare Klaviatur auf einem geraden Rahmen. Die Feinjustierung wird erst beim Zusammensetzen am Instrument direkt vorgenommen (vgl. Ab-schnitte 4.4. und 5.4.).