Jürgen-Friedrich Westermann
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Update 2012
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Das Klavier in seiner Entwicklung

Hammerklaviere

Mechanik (in Arbeit)

Während die Klaviatur seit ihrer Einführung auf Orgel, Klavichord und Cembalo geringen Veränderungen unterlag, hat sich in der Wirkungsweise des Getriebes - im Hammerklavier vorwiegend Mechanik genannt - seit der Erfindung viel vervollkommnet. Die Mechanik hat die Aufgabe, die Hämmer dem Willen des Spielers entsprechend in Bewegung zu setzen und ihnen alle Modulationswünsche des Künstlers im Hinblick auf Tonstärke und Tempo nach dem Anschlag auf die Taste korrekt mitzuteilen.

Mechanik

Die einfache Taste allein bewirkt aber noch nicht den Hammeranschlag im Flügel oder Piano. Dazwischengeschaltet ist der weit-aus kompliziertere Apparat der Mechanik (mitunter auch als Getriebe bezeichnet). Hersteller dieser Vorrichtungen fertigen im Auftrag der lnstru-mentenmacher verschiedenste Mechanikcn für Flügel nach fol-genden Angaben: 1. Einfahrtshöhe von der Oberkante des Stuhlrahmens bis zur Unterkante des Stimmstocks. - Beim Flügel verschwindet der technische Mechanismus in der Spiellade.2. (iesamttiefe, auch Dammtiefe genannt; von der Zier- oder Schlol3leisten-[nnenseite bis zum Rastendamm. - Am Damm muß Platz für die Dämpferklötze und ihre senkrechten Drähte bleiben. 3. Saitenverlauf und Saitenschräge in der Hainmeranschlaglinie und daraus abgeleitet: Standort der sogenannten Mechanikbak-ken. - Aufbau der Hämmer und damit der Mechanikteile er-folgt gruppenweiseje nach Art der Kreuzsaitigkeit und Form der akustischen Anlage. 4. Anschlaghöhe von Stuhlbodenoberfläche bis Diskantsaiten-Unterkante sowie bis Baßsaiten-Unterkante. - Die über den Diskantbezug laufenden Baßsaiten liegen entsprechend höher. 5. Anschlagtiefc von Zierleisten-Innenkante bis zur lotrechten Verlängerung des Anschlagpunktes an der Saite. - Es muß Be-wegungsfreiheit für Hammerkopf und Hammerschwanz zwi-schen Fänger und Hammerleiste bleiben.6. Chorverhältnis zeigt an, wo und wie viele drei-, zwei- und ein-chörige Saiten angeordnet werden. - Es gibt Diskantpartien, die kurz vor der Kreuzung nur zweichörig sind. Dagegen ist aber auch verschiedentlich im Übergang dreichöriger Baßbezug zu finden. Die Mechaniken-Industrie hat ihre Erzeugnisse zu derartiger Vollkommenheit gebracht, daß unter den zierlichen Mechanik-gliedern Maßhaltigkeiten bis zu Zehntel-Millimetern, stellen-weise noch darunter, gewährleistet werden. Dazu sind natürlich bestgepflegte und absolut trockene Hölzer notwendig. (Fertig aufgebaute Flügelmechaniken liefert der Spezialhersteller, Bild 4/24.) Diese mannigfaltigen Teilchen im Innern der Mechanik werden auch Figuren genannt. Dazu gehören u. a. das Hebeglied (9) mit gepolstertem Sattel (10), die Stoßzunge (II), der Repetierschen-kel (12), der Fänger (37), der Dämpferarm (17) mit Dämpfer-klotz (19) und zahlreiche Kapseln und sogenannte Puppen. Die Ziffern in Klammern stimmen mit der Bezifferung im Mechanik-bild (s. Bild 15/1) überein.Für die Herstellung dieser Figuren werden Holztafeln, haupt-sächlich aus Weißbuchenhrettchen verleimt, gehobelt und ge-schliffen. Aus diesen Tafeln schneidet, fräst oder stanzt man das jeweilige Profil aus. Mit Präzisionskreissägen wird der profilierte Block »in Scheiben geschnitten«, wodurch die einzelnen Figuren entstehen. Außer Holz spielt das schon erwähnte Tuch in der Mechanik eine große Rolle. Zahlreiche Stellen müssen damit versehen werden. Es darf nichts reiben oder klappern, wenn die Mechanik in Gang gesetzt wird. Darum ist beispielsweise das Achsen oder Spindeln ein Vorgang, der größtmögliche Genauigkeit er-fordert. Die Figuren in der Mechanik vollbringen eine große Anzahl von Drehbewegungen. Diese erfolgen vorwiegend um dünne metallene Achsen. Der Achsdraht kann nicht einfach in die Holzfigur durch entsprechende Bohrungen gesteckt werden; dies würde unweigerlich ein Klappern verursachen. Also muß zu-erst das Bohrloch ausgetucht und in die entstandene weiche Buchse der Achsdraht geschoben werden, oftmals gleich für eine ganze Reihe von Figuren oder Kapseln. Es gibt aber auch Auto-maten, die nur einen kurzen angespitzten Stift einspindeln. Wichtig ist bei beiden Verfahren, daß die Ränder des Tuches nicht an einer Stelle liegen, wo ein kontinuierlich starker Achs-druck vorherrscht. Es versteht sich von selbst, daß die verwendeten Tuche und Filze nur erstklassige Qualität haben dürfen und daraufhin ständig in Stichproben oder Inventuren kontrolliert werden; denn ein Dämpferfilz, der nicht dämpft, eine Austuchung, die reibt oder Geräusche erzeugt, sind ungeeignet. Schließlich gehören zu einer kompletten Mechanik verschieden-artige Drähte, Federn und vor allem zahlreiche Schrauben. Wie die Mechanik zu regulieren ist, beschreibt ausführlich der Ab-schnitt über die Bauphasen eines Flügels (vgl. Abschnitt 4.4.). Ihre grundsätzliche Arbeitsweise muß jedoch vorher erläutert werden; wobei die hier verwendete Terminologie mit »vorn« grundsätzlich den zum Pianisten weisenden Teil kennzeichnet. Mit »hinten« werden alle Punkte bezeichnet, die im Flügelkasten gelagert sind. Jede Taste hat hinter dem Waagebalkenloch eine grol3köpfige Messingschraube. Man nennt sie Pilote (36) - siehe Bild 15/1. Ein Anschlag der Taste wird von der Pilote auf den gepolsterten Sattel des Hebegliedes (9, 10) übertragen. Dieses gesamte Unterglied wird emporgetragen. Es nimmt die an ihm pendelnd angebrachte recht- bis stumpfwinklige Stoßzunge (11) mit hinauf bis zu jenem Punkt, an dem der vorstehende kurze Teil, die Stoßzungennase, an die Auslösepuppe (24) stößt. Im gleichen Augenblick koppelt das andere Ende der Stoßzunge vom Hammerröllchen (6) ab, das durch die vorherige Beschleu-nigung mit dem Hammer in die Höhe getrieben wurde. Dieses Ausweichen der Stoßzunge unter der Hammerrolle nennt man »Auslösen«, das zu einem genau berechneten und einstell-baren Moment erfolgen muß. Andernfalls bliebe der Hammer-kopf an die Saite gepreßt und würde den Ton nicht klingen las-sen. Nach präzis erfolgter Auslösung jedoch schlägt der Hammer die Saite nur kurz an und fällt sofort in einen belederten Fänger (37), der am Ende aus der Taste emporragt. Vorausgesetzt, der Spieler hat in diesem Augenblick die Taste noch nicht völlig losgelassen, so könnte er seinen Anschlag be-liebig oft und schnell wiederholen (repetieren). Das Hammer-röllchen ruht in dieser Phase eines gerade beendeten Anschlags auf dem Repetierschenkel (12), und in dessen Schlitz kann die Stoßzunge immer wieder korrekt unter das Röllchen rutschen. Erst wenn die Taste losgelassen wird, gehen alle Hebel in die Grundstellung zurück. Der Repetierschenkel könnte aber seine Arbeit nicht verrichten, wenn er nicht durch die Kraft der Feder (13) dazu befähigt würde. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, optimale Ergebnisse zu er-zielen, wobei sich zwei Systeme herauskristallisiert haben: mit einfacher oder mit doppelter Feder. Die Urform der Repetitionsfeder hat der Klavicrbauer Sebastian Erard eingeführt.


Bild 4 Schematische Dar-stellung einer Flügelmechanik mit Doppelfeder

Zur kräftigen Doppelfeder vervollkommnet wurde sie von seinem Landsmann J-Ienri Herz, der sich als Pianist und Klavierfabrikant gleichermaßen einen Namen machte. Mit Beginn ihrer großen Flügelproduktion übernahmen Stein way & Sons die Doppelfeder (Bild 4) in ihre Mechani-ken und haben sie bis heute beibehalten. Eine solche Feder-anordnung ist nicht unproblematisch. Der obere Teil drückt erheblich unter den Repetierschenkel und hat dort eine starke Reibung. Deshalb ist diese Stelle immer gut zu beobachten und zu graphitieren oder mit anderen Mitteln gleitfähig zu halten. Recht unbequem gestaltet sich zudem das Regulieren dieser Fe-der, das man nur sehr umständlich mit einem speziellen Feder-haken bewerkstelligen kann. Hierbei darf der Draht auf keinen Fall geknickt werden. Auch ein zu scharfes Ausmassieren nimmt ihm die Spannkraft. Wie in Bild 4 gezeigt, muß man sie vor-sichtig behandeln. Deshalb bevorzugen viele Fliigelhersteller die Mechanik mit einer langen, modernisierten Erard-Feder. Hier-bei greift das größere Stück bei der Stoßzunge an, und ein relativ kurzes Ende wirkt aufdenRepetierschenkel.An dieserStelle kann die Federkraft durch ein gut zugängliches Schräubchen mit handelsüblichem Werkzeug problemlos reguliert werden. Die lange Feder ist so geschmeidig, daß der Rückfall der Stoß-zunge nahezu unfühlbar vor sich geht. Allerdings soll man diese Feder mit zu starkem Nachspannen durchdrücken können, was bei allen entsprechenden Tests aber keineswegs beobachtet wurde. Denn bei zu straffer Einstellung würde die Stoßzunge mit einen Ruck unter das Hammerröllchen springen, und das ist nicht zulässig. Wegen dieser Erscheinungen in den oben beschriebenen Syste-men haben verschiedene Konstrukteure nach anderen Wegen ge-sucht, Auslösung und Repetition präzise und für die Hand des Spielers wenig fühlbar zu gestalten. Der Entwurf einer federlosen Mechanik ist gescheitert. Aber der süddeutsche Mechaniken-Hersteller Keller hat schon lange vor dem zweiten Weltkrieg er-folgreich versucht, Schraubenfcdern (fälschlich oft Spiralfeder genannt) einzusetzen, bzw. den oberen Teil der herz-Doppel-feder ebenfalls durch eine Schraube regulierbar zu machen. In modifizierter Form gibt es diese Doppelfeder mit Schraubjustie-rung (kurz nach 1980 patentiert) beim Braunschweiger Herstel-ler Schimmel und seinen Modellen Erard, Gaveau und PleyeI.


Bild 4/2. Schema der Mechanik mit langer Einzelfeder und Re-gulierschraube

Die bekanntesten Produzenten in Europa, Femming-Mechanik-Modelle (Leipzig) und Renner-Mechanik (Stuttgart), bauen seit Jahrzehnten äußert erfolgreich Systeme mit der einfachen Feder, die man mit jedem einschlägigen Kleinschraubenzieher nachstel-len kann (Bild 4/2).

Für die Herstellung der einzelnen Mechanikfiguren hat es in letzter Zeit an Reformversuchen nicht gefehlt. Insbesondere wurde die Einführung von Plast-Werkstoffen in den Mechani-kenbau forciert. Piano-Getriebe findet man heute schon mit vie-len Teilen aus synthetischem Material, wie Kapseln, .Dämpfer-arme, Auslösepuppen, Piloten und sogar Stoßzungen. - In den Flügel hat die Plast-Mechanik bisher kaum Eingang gefunden. Dies hat einige beachtenswerte Gründe, die bei der Betrachtung entsprechender Pianino-Meclianiken untersucht werden.


Moderne Flügelmechaniken

In den neuzeitlichen waagerecht angeordneten Klavierinstrumenten, die im deutschen Sprachraum Flügel heißen, wird ausschließlich die moderne Repetitionsmechanik angewandt. Sie hat sich aus jenen Anschlagsapparaturen entwickelt, die in diesem Buch in den Abschnitten über die Erfinder des Hammerklaviers, wie Cristofori und Schröter, beschrieben sind. Später wurden sie unter der Bezeichnung Englische bzw. Wiener Mechanik be-kannt. Die Urform dieses Apparates machte naturgemäß eine Reihe von Veränderungen und Verbesserungen mit, ehe er den heutigen Stand erreichte. Die wesentlichste Station ist 1821. Sebastian Erard, Paris, bildete die Repetitionsmechanik so aus, daß die Finger des Spielers die Taste zu neuem Anschlag nicht mehr völlig verlassen müssen. So ist es bis heute geblieben: Die Doppelrepetitionsmechanik beherrscht nahezu unumschränkt den modernen Flügel.