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Fundamentals of Piano Practice

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Chuan C. Chang und des Übersetzers Edgar Lins sowie dieses Copyrightvermerks heruntergeladen oder vervielfältigt werden.

Stimmen des Klaviers

Temperatur und Musik


Temperatur und Musik
Der mathematische Ansatz ist nicht die Art, wie die chromatische Tonleiter entwickelt wurde. Musiker begannen zunächst mit Intervallen und versuchten, eine Tonleiter mit einer minimalen Anzahl Noten zu finden, die diese Intervalle erzeugen würde. Die Erfordernis einer minimalen Anzahl von Noten ist offensichtlich wünschenswert, weil diese die Anzahl der Tasten, Saiten, Löcher, usw. bestimmt, die für die Konstruktion eines Musikinstruments notwendig ist. Intervalle sind notwendig, denn wenn man mehr als eine Note gleichzeitig spielen möchte, werden diese Noten für das Ohr unangenehme Dissonanzen erzeugen, außer wenn sie harmonische Intervalle sind. Der Grund, warum Dissonanzen so unangenehm für das Ohr sind, hat eventuell etwas mit der Schwierigkeit zu tun, mit dem Gehirn dissonante Informationen zu verarbeiten. Es ist sicherlich hinsichtlich des Gedächtnisses und Verständnisses leichter, sich mit harmonischen Intervallen als mit Dissonanzen zu befassen, wobei es bei einigen davon für die meisten Menschen fast unmöglich ist, herauszufinden, ob zwei dissonante Noten gleichzeitig gespielt werden. Deshalb wird es, wenn das Gehirn mit der Aufgabe komplexe Dissonanzen zu erkennen überlastet ist, unmöglich zu entspannen und die Musik zu genießen oder die musikalische Idee zu verfolgen. Sicherlich muß jede Tonleiter gute Intervalle erzeugen, wenn wir fortgeschrittene, komplexe Musik komponieren sollen, die mehr als eine Note gleichzeitig erfordert.

Die optimale Anzahl Noten in einer Tonleiter stellte sich als 12 heraus. Leider konnten Musiker keine 12-notige Tonleiter finden, die überall reine Intervalle erzeugte. Musik würde besser klingen, wenn eine Tonleiter, die nur aus reinen Intervallen besteht, gefunden werden könnte. Viele solche Versuche wurden bereits unternommen, hauptsächlich durch das Erhöhen der Notenanzahl je Oktave, besonders bei Gitarren und Orgeln, aber keine dieser Tonleitern hat eine Akzeptanz erreicht [zumindest in der "westlichen" Musik, in der Musik anderer Kulturen gibt es durchaus Tonleitern mit mehr als 20 Tönen je Oktave]. Es ist relativ leicht, die Zahl der Noten mit einem gitarrenähnlichen Instrument zu erhöhen, weil man nur Saiten und Bünde hinzufügen muß. Die neuesten Verfahren, die heute entwickelt werden, beziehen computergenerierte Tonleitern mit ein, bei denen der Computer die Frequenzen bei jeder Transposition justiert; dieses Verfahren wird adaptives Stimmen (Sethares) genannt.

Das grundlegendste Konzept, das benötigt wird um Temperaturen zu verstehen, ist das Konzept des Quintenzirkels. Nehmen Sie, um einen Quintenzirkel zu beschreiben, eine beliebige Oktave. Beginnen Sie mit der tiefsten Note und gehen Sie in Quinten aufwärts. Nach zwei Quinten kommen Sie über diese Oktave hinaus. Wenn das geschieht, gehen Sie eine Oktave nach unten, so daß Sie weiter in Quinten aufwärts gehen können und immer noch in der ursprünglichen Oktave bleiben. Machen Sie das für zwölf Quinten und Sie werden bei der höchsten Note der Oktave ankommen! D.h. wenn Sie mit C4 anfangen, kommen Sie am Ende zu C5, und deshalb wird es ein Zirkel [lat. circulus=Kreis] genannt. Nicht nur das, sondern jede Note, auf die Sie treffen wenn Sie die Quinten spielen, ist eine andere Note. Das bedeutet, daß der Quintenzirkel jede Note trifft und das nur einmal, was eine nützliche Schlüsseleigenschaft für das Stimmen der Tonleiter ist und dafür, sie mathematisch zu untersuchen.

Historische Entwicklungen sind ein zentrales Thema der Diskussionen über Temperaturen, weil die Musik aus einer Zeit mit der Temperatur aus dieser Zeit verbunden ist. Pythagoras wird zugeschrieben, daß er ungefähr 550 v. Chr. unter Benutzung des Quintenzirkels die "Pythagoräische Stimmung" erfunden hat, bei der die chromatische Tonleiter durch das Stimmen mit reinen Quinten erzeugt wird. Die zwölf reinen Quinten im Quintenzirkel bilden keinen exakten Faktor 2. Deshalb ist die letzte Note, die man bekommt, nicht genau die Oktavnote, sondern ist in der Frequenz um den Wert zu hoch, den man "Pythagoräisches Komma" nennt, d.h. ungefähr 23 Cent (ein Cent ist ein Hundertstel eines Halbtonschritts). Da eine Quarte und eine Quinte eine Oktave bilden, resultiert die Pythagoräische Stimmung in einer Tonleiter mit reinen Quarten und Quinten, wobei man allerdings am Ende eine sehr schlechte Dissonanz bekommt. Es stellt sich heraus, daß mit reinen Quinten zu stimmen, zu unreinen Terzen führt. Das ist ein weiterer Nachteil der Pythagoräischen Stimmung. Wenn nun jemand stimmen sollte, indem er jede Quinte um 23/12 Cent zusammenzieht, dann hätte er am Ende genau eine Oktave, und das ist eine Möglichkeit, eine ET Tonleiter zu stimmen. Wir werden im Abschnitt über das Stimmen tatsächlich solch eine Methode benutzen. Die ET Tonleiter war schon ca. 100 Jahre nach der Erfindung der Pythagoräischen Stimmung bekannt. Deshalb ist die ET keine "moderne Temperatur".

Alle neueren Temperaturen, die auf die Einführung der Pythagoräischen Stimmung folgten, waren Bemühungen, diese zu verbessern. Die erste Methode war, das Pythagoräische Komma zu halbieren und es auf die beiden letzten Quinten zu verteilen. Eine wichtige Entwicklung war die mitteltönige Stimmung, bei der die Terzen statt der Quinten rein gemacht wurden. Musikalisch spielen Terzen eine herausragendere Rolle als die Quinten, so daß die mitteltönige Stimmung sinnvoll war, besonders in einer Zeit, in der die Musik mehr Gebrauch von den Terzen machte. Unglücklicherweise hat die mitteltönige Stimmung eine Wolfsquinte, die schlimmer als die der Pythagoräischen Stimmung ist.

Der nächste Meilenstein wird von Bachs "Das Wohltemperirte Clavier" markiert, in dem er Musik für verschiedene Wohltemperierte Stimmungen (WT) geschrieben hat. Das waren Temperaturen, die einen Kompromiß zwischen mitteltöniger und pythagoräischer Stimmung darstellten. Dieses Konzept funktionierte, weil die pythagoräische Stimmung zu hoch endete, während die mitteltönige zu tief endete. Außerdem boten die WT nicht nur die Möglichkeit guter Terzen, sondern auch von guten Quinten. Die einfachste WT wurde von Kirnberger, einem Schüler Bachs, entworfen. Der größte Vorteil der Temperatur von Kirnberger ist ihre Einfachheit. Bessere WTs wurden von Werckmeister und von Young entwickelt. Wenn wir die Stimmungen allgemein in mitteltönig, WT und pythagoräisch einteilen, dann ist ET eine WT, weil ET weder erhöht noch erniedrigt ist. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, welche Temperatur(en) Bach benutzte. Wir können die Temperatur(en) nur anhand der Harmonien in seinen Kompositionen vermuten, insbesondere seines "Wohltemperierten Klaviers", und diese Studien zeigen, daß im Grunde alle Details des Temperierens bereits zu Bachs Zeiten (vor 1700) bekannt waren, und daß Bach eine Temperatur benutzte, die sich von der von Werckmeister nicht sehr unterschied.

Die Violine scheint einen Vorteil aus ihrem einzigartigen Aufbau zu ziehen, um diese Temperatur-Probleme zu umgehen. Die leeren Saiten bilden miteinander Quint-Intervalle, so daß sie von Natur aus pythagoräisch gestimmt ist. Da die Terzen immer rein gespielt werden können, hat sie alle Vorteile der pythagoräischen, mitteltönigen und WT-Stimmung, und weit und breit ist keine Wolfsquinte in Sicht!

In den letzten ca. 100 Jahren wurde ET fast überall akzeptiert. Deshalb werden die anderen Temperaturen im allgemeinen als "historische Temperaturen" klassifiziert, was klar ein falsche Bezeichnung ist. Der historische Gebrauch der WT führte zu dem Konzept der Tonart-Farbe, bei dem jede Tonart in Abhängigkeit von der Stimmung der Musik besondere Farbe verlieh, und zwar hauptsächlich durch die kleinen Verstimmungen, die "Spannung" und andere Effekte erzeugen. Das komplizierte die Lage, weil nun die Musiker sich nicht nur mit reinen Intervallen und Wolfsquinten befassen mußten, sondern auch mit Farben, die nicht so leicht zu definieren waren. Das Ausmaß, in dem die Farben herausgebracht werden können, hängt vom Klavier, dem Pianisten und dem Zuhörer genauso ab wie vom Stimmer. Beachten Sie, daß der Stimmer die Streckung (s. "Was ist Streckung" am Ende von Abschnitt 5) mit der Temperatur verbinden kann, um die Farbe zu kontrollieren. Nachdem man Musik gehört hat, die auf einem Klavier gespielt wird, das WT gestimmt ist, klingt ET eher trüb und farblos. Deshalb ist die Farbe der Tonart wichtig. Wichtiger sind die wundervollen Klänge von reinen (gestreckten) Intervallen bei WT. Auf der anderen Seite gibt es in den WTs immer eine Art von Wolfsquinte, die bei der ET reduziert ist.

Zum Spielen der meisten Musik, die um die Zeit von Bach, Mozart und Beethoven komponiert wurde, ist WT am besten geeignet. So hat Beethoven z.B. Akkorde für die dissonanten Nonen im ersten Satz seiner Mondschein-Sonate gewählt, die in WT am wenigsten dissonant sind, und welche in ET viel schlechter sind. Diese großen Komponisten waren sich der Temperatur genauestens bewußt. Die meisten Werke aus der Zeit von Chopin oder Liszt wurden im Hinblick auf ET komponiert, so daß die Tonart-Farbe kein Thema ist. Obwohl diese Kompositionen für das geschulte Ohr in ET und WT unterschiedlich klingen, ist nicht klar, daß gegen WT etwas einzuwenden ist, weil reine Intervalle immer besser klingen als verstimmte.

Meine persönliche Ansicht hinsichtlich des Klaviers ist, daß wir von ET abkommen sollten, weil sie uns eines der angenehmsten Aspekte der Musik beraubt - reinen Intervallen. Sie werden eine dramatische Demonstration davon erleben, wenn Sie den letzten Satz von Beethovens Waldstein-Sonate in ET und WT hören. Mitteltönige Stimmung kann ziemlich extrem sein, es sei denn Sie spielen Musik dieser Periode (vor Bach), so daß uns die WTs bleiben. Hinsichtlich der Einfachheit und der leichten Stimmbarkeit ist Kirnberger nicht zu schlagen. Ich glaube, daß wenn Sie sich an WT gewöhnt haben, ET nicht genauso gut klingen wird. Deshalb sollte die Welt die WTs zum Standard erheben. Welche man auswählt, macht für die meisten Menschen keinen großen Unterschied, weil diejenigen, die nicht in den Temperaturen ausgebildet sind, im allgemeinen keinen großen Unterschied zwischen den hauptsächlichen Temperaturen bemerken, geschweige denn zwischen den unterschiedlichen WTs. Das soll nicht heißen, daß wir alle Kirnberger benutzen sollten, sondern daß wir in den Temperaturen ausgebildet werden sollten und eine Wahl haben sollten, anstatt in die Zwangsjacke der farblosen ET gesteckt zu werden. Das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks oder die Frage, ob die Musik besser klingt. Wir sprechen darüber, unsere musikalische Sensibilität zu entwickeln und zu wissen, wie man diese wirklich reinen Intervalle benutzt. Ein Nachteil von WT ist, daß es hörbar wird, wenn das Klavier auch nur ein wenig verstimmt ist. Es würde mich jedoch freuen, wenn alle Klavierschüler ihre Sensibilität bis zu dem Punkt entwickeln würden, an dem sie bereits erkennen können, wenn das Klavier auch nur ein wenig verstimmt ist.

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Danksagung

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