Fundamentals of Piano Practice
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Stimmen des Klaviers
Intonieren der Hämmer
Intonieren der Hämmer
Ein verbreitetes Problem, das man bei vielen Klavieren findet, sind verdichtete
Hämmer. Ich bringe diesen Punkt zur Sprache, weil der Zustand der
Hämmer für die richtige Entwicklung der Klaviertechnik und der
Fertigkeiten für das Auftreten viel wichtiger ist als vielen Menschen
bewußt ist. Zahlreiche Stellen in diesem Buch weisen auf die Wichtigkeit
des musikalischen Übens für das Erwerben der Technik hin. Man
kann aber nicht musikalisch spielen, wenn die Hämmer ihre Aufgabe
nicht erfüllen können; ein entscheidender Punkt, der sogar von
vielen Stimmern übersehen wird (oftmals weil sie fürchten, daß
die zusätzlichen Kosten die Kunden vergraulen würden). Bei einem
Flügel ist ein sicheres Zeichen für verdichtete Hämmer,
daß man es für notwendig hält, den Deckel zumindest teilweise
zu schließen um leise Passagen zu spielen. Ein weiteres sicheres
Zeichen ist, daß man dazu neigt, das Dämpfer-Pedal zu Hilfe
zu nehmen um leise zu spielen. Verdichtete Hämmer erzeugen entweder
einen lauten Ton oder überhaupt keinen. Jede Note neigt dazu, mit
einem lästigen, perkussiven Schlag zu beginnen, der zu stark ist,
und der Klang ist übermäßig hell. Es sind diese perkussiven
Schläge, die so schädlich für das Gehör des Stimmers
sind. Ein richtig intoniertes Klavier erlaubt die Kontrolle über
den ganzen Dynamikbereich und erzeugt einen gefälligeren Klang.
Lassen Sie uns zunächst sehen, wie ein verdichteter Hammer zu solchen
extremen Resultaten führen kann. Wie können kleine, leichte
Hämmer laute Töne erzeugen, wenn sie mit relativ geringer Kraft
auf eine Saite treffen, die unter einer solch hohen Spannung steht? Wenn
man versuchen würde, die Saite herunterzudrücken oder zu zupfen,
müßte man eine ziemlich große Kraft aufwenden, um nur
einen kleinen Ton zu erzeugen. Die Antwort liegt in einem unglaublichen
Phänomen, das auftritt, wenn stark gestreckte Saiten im rechten Winkel
angeschlagen werden. Es stellt sich heraus, daß die vom Hammer erzeugte
Kraft im Moment des Aufpralls theoretisch unendlich ist! Diese fast unendliche
Kraft ist es, was den leichten Hammer in die Lage versetzt, praktisch
jede erreichbare Spannung der Saite zu überwinden und sie zum Schwingen
zu bringen.
Hier ist die Berechnung dieser Kraft. Stellen Sie sich vor, daß
der Hammer an seinem höchsten Punkt ist, nachdem er die Saite angeschlagen
hat (Flügel). Die Saite bildet zu diesem Zeitpunkt mit ihrer ursprünglichen
horizontalen Position ein Dreieck (das ist nur eine idealisierte Näherung,
s.u.). Die kürzeste Seite dieses Dreiecks ist der Abstand zwischen
der Agraffe und dem Aufschlagspunkt des Hammers. Die zweitkürzeste
Seite ist die vom Hammer bis zum Steg. Die längste ist die ursprüngliche
horizontale Lage der Saite, eine gerade Linie vom Steg zur Agraffe. Wenn
wir nun eine vertikale Linie vom Aufschlagspunkt des Hammers nach unten
zur ursprünglichen Saitenposition ziehen, erhalten wir zwei aneinanderliegende
rechtwinklige Dreiecke. Das sind zwei extrem spitze rechtwinklige Dreiecke,
die sehr kleine Winkel an der Agraffe und dem Steg haben; wir werden diese
kleinen Winkel "theta" nennen.
Das einzige, was wir zu dieser Zeit kennen, ist die Kraft des Hammers,
aber das ist nicht die Kraft, die die Saite bewegt, weil der Hammer die
Saitenspannung überwinden muß, bevor die Saite nachgibt. D.h.
die Saite kann sich nicht aufwärts bewegen, solange sie nicht länger
werden kann. Das ist verständlich, wenn man sich die beiden oben
beschriebenen rechtwinkligen Dreiecke ansieht. Die Saite hatte bevor der
Hammer auftraf die Länge der langen Katheten der rechtwinkligen Dreiecke
aber nach dem Auftreffen bildet die Saite die Hypotenusen, welche länger
sind. D.h., wenn die Saite absolut unelastisch wäre und die Enden
der Saiten wären fest fixiert, könnte keine noch so große
Hammerkraft die Saite dazu bringen sich zu bewegen.
Es ist eine einfache Angelegenheit, mit Vektordiagrammen zu zeigen, daß
die zusätzliche Spannungskraft F (zusätzlich zu der ursprünglichen
Saitenspannung), die vom Hammeraufschlag erzeugt wird, durch f = F * sin(theta)
gegeben ist, wobei f die Kraft des Hammers ist. Es ist egal, welches rechtwinklige
Dreieck wir für diese Berechnung verwenden (das auf der Seite des
Stegs oder das auf der Seite der Agraffe). Deshalb ist die Saitenspannung
F = f / sin(theta). Im ersten Moment des Auftreffens ist theta = 0, und
deshalb F = unendlich! Das geschieht, weil sin(0) = 0. Selbstverständlich
kann F nur unendlich werden, wenn die Saite sich nicht strecken kann und
sich nichts anderes bewegt. In der Realität geschieht folgendes:
F steigt in Richtung unendlich an, irgend etwas gibt nach (die Saite streckt
sich, der Steg bewegt sich, usw.), so daß der Hammer anfängt,
die Saite zu bewegen und theta größer als Null wird, was F
endlich werden läßt.
Diese Vervielfachung der Kraft erklärt, warum ein kleines Kind auf
einem Klavier trotz der mehreren hundert Pfund Spannung auf den Saiten
einen ziemlich lauten Ton erzeugen kann. Es erklärt auch, warum eine
normale Person eine Saite beim Klavierspielen zerbrechen kann, besonders
wenn die Saite alt ist und ihre Elastizität verloren hat. Der Mangel
an Elastizität verursacht, daß F weitaus mehr ansteigt als
wenn die Saite elastischer ist, die Saite kann sich nicht strecken und
theta bleibt nahe Null. Diese Situation wird außerordentlich verschärft
wenn der Hammer ebenfalls verdichtet ist, so daß er eine große,
flache, harte Kerbe hat, die die Saite berührt. In diesem Fall gibt
die Oberfläche des Hammers nicht nach und die anfängliche "f"
in der obigen Gleichung wird sehr groß. Da das bei einem verdichteten
Hammer alles nahe theta = 0 geschieht, wird der Vervielfachungsfaktor
der Kraft ebenfalls vergrößert. Das Resultat ist eine gebrochene
Saite.
Die obige Berechnung ist eine starke Vereinfachung und nur qualitativ
richtig. In Wirklichkeit sendet ein Hammerschlag zunächst eine wandernde
Welle in Richtung des Stegs, ähnlich dem was geschieht, wenn man
das Ende eines Seils nimmt und es schnalzen läßt. Um solche
Wellenformen zu berechnen muß man bestimmte wohlbekannte Differentialgleichungen
lösen. Der Computer hat die Lösung solcher Differentialgleichungen
zu einer einfachen Angelegenheit werden lassen, und realistische Berechnungen
dieser Wellenformen können nun routinemäßig erfolgen.
Deshalb führen die obigen Ergebnisse, obwohl sie nicht genau sind,
zu einem qualitativen Verständnis dafür was geschieht und was
die wichtigen Mechanismen und kontrollierenden Faktoren sind.
Zum Beispiel zeigt die obige Berechnung, daß es nicht die Energie
der Transversalschwingung der Saite ist, sondern die Zugspannung der Saite,
die für den Klang des Klaviers verantwortlich ist. Die Energie, die
durch den Hammer abgegeben wird, wird im gesamten Klavier gespeichert,
nicht nur in den Saiten. Das ist zu Pfeil und Bogen ziemlich analog -
wenn die Sehne gezogen wird, dann wird die gesamte Energie im Bogen gespeichert,
nicht in der Sehne. Und die gesamte Energie wird durch die Spannung in
den Saiten übertragen. In diesem Beispiel ist der mechanische Vorteil
und die oben berechnete Vervielfachung der Kraft (nahe theta = 0) leicht
zu sehen. Es ist das gleiche Prinzip, auf dem die Harfe basiert.
Die einfachste Möglichkeit dafür, zu verstehen warum verdichtete
Hämmer höhere harmonische Obertöne erzeugen, ist, zu erkennen,
daß das Auftreffen in kürzerer Zeit stattfindet. Wenn es schneller
geschieht, generiert die Saite als Antwort auf das schnellere Ereignis
Komponenten mit höherer Frequenz.
Die obigen Abschnitte machen klar, daß ein verdichteter Hammer
zunächst einen großen Aufschlag auf den Saiten erzeugt, während
ein richtig intonierter Hammer sanfter auf die Saite trifft und somit
mehr seiner Energie an die niedrigeren Frequenzen als an die harmonischen
Obertöne abgibt. Da die gleiche Menge an Energie bei einem verdichteten
Hammer in einem kürzeren Zeitraum verteilt wird, kann der anfängliche
Lautstärkegrad viel höher als bei einem richtig intonierten
Hammer sein, besonders bei den höheren Frequenzen. Solche kurzen
Tonspitzen können das Gehör schädigen ohne Schmerzen zu
verursachen. Verbreitete Symptome solcher Schäden sind Tinnitus (Klingeln
im Ohr) und Hörverlust bei hohen Frequenzen. Klavierstimmer, die
ein Klavier mit solchen abgenutzten Hämmern stimmen müssen,
tun gut daran Ohrenstöpsel zu tragen. Es ist klar, daß das
Intonieren der Hämmer mindestens genauso wichtig ist wie das Stimmen
des Klaviers, besonders weil wir über potentielle Gehörschäden
sprechen. Ein verstimmtes Klavier mit guten Hämmern schädigt
das Ohr nicht. Trotzdem lassen viele Klavierbesitzer ihr Klavier zwar
stimmen, vernachlässigen aber das Intonieren.
Die beiden wichtigsten Prozeduren beim Intonieren sind das Wiederherstellen
der Form und das Nadeln.
Wenn der verflachte Auftreffpunkt des Hammers ungefähr 1 cm übersteigt,
ist es Zeit, die Form des Hammers wieder herzustellen. Beachten Sie, daß
Sie zwischen der Länge der Saitenkerbe und dem flachgedrückten
Bereich unterscheiden müssen; sogar bei gut intonierten Hämmern
können die Kerben mehr als 5 mm lang sein. Bei der endgültigen
Beurteilung werden sie anhand des Klangs entscheiden müssen. Das
Formen wird durch das Schleifen der "Schultern" des Hammers
erreicht, so daß er seine ursprüngliche, gerundete Form am
Auftreffpunkt wiedergewinnt. Das wird üblicherweise mit 1 Zoll [ca.
2,5 cm] breiten Streifen Sandpapier ausgeführt, die mit Leim oder
doppelseitigem Klebeband auf Holz- oder Metallstreifen befestigt sind.
Sie könnten mit Papier der Körnung 80 beginnen und zum Schluß
Papier der Körnung 150 verwenden. Die Schleifbewegung muß in
der Ebene des Hammers ausgeführt werden; schleifen Sie niemals quer
zur Ebene. [Eine detaillierte Beschreibung findet man z.B. in der amerikanischen
Ausgabe von Reblitz auf den Seiten 137 bis 140: Schleifen Sie nur an der
schmalen umlaufenden Fläche, die durch den Auftreffpunkt (und die
Saitenkerben) hindurchgeht; führen Sie dabei das Schleifpapier immer
mit einer bogenförmigen Bewegung vom Stiel zum Auftreffpunkt hin;
der Filz muß auf beiden Seiten des Auftreffpunkts symmetrisch geformt
sein, damit die Spitze des Hammers beim Auftreffen auf die Saiten nicht
schrittweise in die Richtung der geringeren Unterstützung hin verformt
wird und sich der Auftreffpunkt verschiebt; die Fläche darf nicht
nach der Seite abgerundet werden und muß auch rechtwinklig zu den
beiden großen Seitenflächen sein, damit die Saiten einer Note
gleichzeitig angeschlagen werden; es muß genügend Filz stehenbleiben,
so daß die Saite beim Anschlag nicht den Filz durchschlägt
und auf das Holz des Hammers trifft; deshalb soll der Filz der schmalen
Hämmer für die hohen Töne überhaupt nicht geschliffen
werden.
Also alles andere als einfach und somit nur jemandem mit wirklicher handwerklicher
Begabung zu empfehlen, der stets größte Sorgfalt walten läßt!]
Es besteht fast nie die Notwendigkeit den Auftreffpunkt zu schleifen.
Lassen Sie deshalb ungefähr 2 mm vom Zentrum des Auftreffpunkts unberührt.
Nadeln ist nicht einfach, weil die richtige Stelle zum Nadeln und die
richtige Tiefe vom jeweiligen Hammer (-Hersteller) abhängen und davon,
wie er ursprünglich intoniert war. Besonders im Diskant werden beim
Intonieren der Hämmer in der Fabrik oft Härter wie Lack, usw.
benutzt. Fehler beim Nadeln sind im allgemeinen nicht rückgängig
zu machen. Tiefes Nadeln ist üblicherweise an den Schultern unmittelbar
außerhalb des Auftreffpunkt erforderlich. Sehr sorgfältiges
und flaches Nadeln kann im Bereich des Auftreffpunkts nötig werden.
Der Klang des Klaviers reagiert auf das flache Nadeln am Auftreffpunkt
sehr empfindlich, so daß man sehr genau wissen muß was man
tut. Wenn er richtig genadelt ist, sollte der Hammer Ihnen erlauben, sowohl
sehr leise Töne zu kontrollieren als auch laute Töne zu produzieren,
die nicht schrill sind. Sie bekommen das Gefühl der totalen klanglichen
Kontrolle. Sie können nun Ihren Flügel ganz öffnen und
ohne das Dämpfer-Pedal sehr leise spielen! Sie können auch diese
lauten, reichen, respekteinflößenden Töne erzeugen.
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