Saiten und Mensuren
Das Schwingungsverhalten der Saiten ist von folgenden
Bedingungen abhängig:
Längenverhältnisse
Die Schwingungszahl einer Saite verhält sich umgekehrt pro-portional
zu ihrer Länge (Voraussetzung ist gleicher Durchmesser, Anspannung,
Dichte).
Von zwei Saiten gleicher Beschaffenheit und Spannung
ist eine genau um die Hälfte kürzer als die andere.
- Die Frequenz der kürzeren Saite ist dann doppelt so groß
wie die der längeren (Oktave). Nimmt man einen gleichartigen
Draht, der jetzt aber 2/3 der längeren Saite beträgt,
so ist dessen Schwingungszahl ~/2 von der unverändert langen
Saite (Quinte). Mit Hilfe eines Monochords lassen sich so die
verschiedensten Intervalle kontrollieren.
.Zugkraftverhältnisse
Voraussetzung: Gleiche Länge, Dichte, Durchmesser Die Schwingungszahl
einer Saite verhält sich wie die Quadratwurzel aus der spannenden
Kraft.
Eine Saite schwingt doppelt so oft (eine Oktave höher), wenn
sie mit der vierfachen Kraft gespannt wird; 9fache Kraft gleich
3fache Frequenz usw.
Ausgehend vom Versuchsaufbau am Monochord, wo sich
die Zugkraft durch Belastung der Saiten mit entsprechenden Metallstücken
ergibt, bestehen folgende Beziehungen:
Früher betrug der Kammerton a' = 435 Hz. Dieser
alte Stimmton ist für die heutige Musizierpraxis aber unbrauchbar,
da international der Stimmton schon seit Jahrzehnten auf 440 Hz
festgelegt ist. Es ist deshalb öfter notwendig, alte Klaviere
ebenfalls darauf einzustimmen. Nach der zuletzt genannten Formel
ist die Erhöhung der Saitenzugkraft zu berechnen, wenn man
die Stimmung älterer Instrumente auf den heute gültigen
Stimmton hochzieht.
Beispiel:
Alter Kammerton: f1 = 435 Hz |
|
F1= 750 N |
Neuer Kammerton: f2 = 440 Hz |
F2 = gesucht |
In diesem Falle beträgt also die Erhöhung
der Zugkraft bei Zugrundelegen des gültigen internationalen
Kammertons genau 17,34 N.
Abhängigkeit vom Durchmesser
Die
Frequenzen verhalten sich umgekehrt zu ihrem Durchmesser.
Bei doppeltem Durchmesser einer Saite , klingt die Saite eine
Oktave tiefer . Beim Durchmesser-Verhältnis 2:3 klingt der
dünnere Stahldraht als Quinte höher zum dicken.
Auf den Stimmton 440 Hz bezogen mit einem bekannten Stahldrahtdurchmesser
von 0,975 mm soll im Zahlenbeispiel der Durchmesser für f
2 = 880 Hz ermittelt werden:
Abhängigkeit von der
Dichte
1715 hat
der englische Mathematiker und Newton-Schüler Brook
Taylor für den absoluten Wert der Schwingungszahl
einer Saite folgende Berechnungen zugrunde gelegt (Taylorsche
Formel):
f= /i1dVt7
oder: Da a~ m = F
L l.dV7r.~
Es bedeuten:
f Frequenz in Hz
1 Saitenlänge in m
d Saitendurehmesser in m
in N bzw. kg ~
F Kraft ____
m Masse in kg
m
a Erdbesehleunigung = 9,81 ~
e Diecte/Saitenmaterial in g/cm3
= 3,1416
Durch die Festlegung des Stimmtons ist dem heutigen Klavierbauer
für Berechnungen jeweils die Frequenz bekannt. Es ist daher
die Gleichung mathematisch jeweils so umzuformen, daß gegebenenfalls
verschiedene gesuchte Größen errechnet werden können.
Die Umkehrungen der Taylorsehen Formel lauten für die wichtigsten
Anwendungsgebiete:
1f€/2$ mm
flVre mm
F=f212.d27r.e inN
Zwischen den beiden Auflagepunkten (Schwingungsknoten)
im Klavier, kann die Saite als Ganzes schwingen. Die Saite schwingt
zudem noch in anderen Tönen gleichzeititg > sogenannte
Obertöne. Mit kleinen Papierreitern kann das sichtbar gemacht
werden. An den Knotenpunkten bleiben sie sitzen, während
der jeweilige »Bauch« seinen Reiter abwirft. Diese
Erkenntnisse über die Sehwingungsknoten sind wichtig für
die akustische Anlage von Klavieren: im Hinblick auf den richtigen
Anschlagspunkt des Hammers an die Saite ebenso wie auf die Gesamteinrichtung
des Bezuges und der Stege, die sogenannte Mensur. Auch heute nochist
eine gute Mensur nicht allein mit einer Formel für verschiedene
Komponenten im Draht, am Steg oder dem Resonanzboden erstellt.
Das Zusammenwirken vieler Faktoren bewirkt den »guten Ton«.
Auch bei Neukonstruktionen muß viel probiert und versucht
werden (
Tabelle
3/1).
Im wesentlichen wird die Mensur durch die Auflagepunkte (Druckstab/Sattel,
Agraffen und Stege) festgelegt . Um eine Saite eine Oktave tiefer
schwingen zulassen muß sie also doppelt so lang sein. Damit
würden Flügel und Klavier zu Ungetümen anwachsen.
Deshalb wird auch mit der Spannung oder der Dicke der Saite die
Tonhöhen modifiziert.
Der höchste Ton im modernen Klavier ist zur Zeit das e5.
Hier hat sich aus Erfahrung eine Saitenlänge von 5,2 cm herauskristallisiert.
Siegfried Hansing hat bereits
um die Jahrhundertwende mit diesem Maß gearbeitet. Ausgegangen
vom e5, wobei die 5,2cm (beim e4 = 10,4cm) als »natürliche
Saitenlänge« bezeichnet wird. Hansing ermittelte ,
daß jeweils um 1 / 16 gekürzt die »Mensurlänge«
entsteht:
c5 = 5,2cm
c4 = 10,4 minus (10,4:16) = 0,65, also 9,75 cm
c3 = 19,50 minus (19,50:16) = 1,219, also 18,281 cm
c2 = 36,56 minus (36,56:16) = 2,285, also 34,275 cm usw.
Vom Kammerton mit 440 Hz kann durch Multiplikation
oder Division jedes a (A) darüber oder darunter errechnet
werden. Die dazwischenliegenden Töne berechnet man anhand
der gleichmäßigen Temperierung. Mit dem
Faktor 1,05946 wird Halbtonschritt
für Halbtonschritt eine komplette Oktave (2:1) in 12 völlig
gleichmäßige Abschnitte eingeteilt. Man gewinnt die
Die Frequenz (Schwingungszahl) wird aus dem jeweils verhergegangenen
Ton.Von diesem e5 ermittelt man die klingenden Längen des
h4, b4, a4 ... e nach der Formel für die oben erwähnte
geometrische Reihe:
q=n4-
(q Quotient der Reihe; n Anzahl der Halbtöne;
z Länge der e-Saite; a Länge der e5-Saite).
Da es sich zwischen e und e5 um 61 Halbtöne handelt, beträgt
im
Zahlenbeispiel der Quotient
61j5~ also: 64/23174 = 1,0538
Wir erhalten nunmehr die Saitenlänge des h4
5,2 . 1,0538 =
5,48 cm; b4 = 5,48~ 1,0538 = 5,77 usw.
Es wäre nicht händelbar für
jede gewünschte Schwingungszahl im Flügel eine spezielle
Drahtstärke einzubauen. Die Querschnitte der Stahlsaiten
in Klavier und Flügel sind in Gruppen geordnet und bei den
einzelnen Fabrikaten unterschiedlich. Für jeweils vier bis
sechs Töne wird ein gleich dicker Stahldraht (im Baß
gleichwertig mit Kupfer umsponnen) eingesetzt. Für eine gute
Mensur ist auch der Anschlagpunkt des Hammers wichtig. Um den
unharmonisch »pfeifenden« 7. und 9. Teilton zu eliminieren,
wird als Ansehlagstelle vorzugsweise 1/7 bis 1/9 der Saitenlänge
gewählt. Hier soll der Schwingungsknoten dieser Teiltöne
getroffen werden, um sie zu tilgen. Dies ist ein Problem für
den Klaviertechniker. Denn man muß bedenken, daß der
Hammerkopf keinen eng begrenzten Punkt trifft, sondern eher "
flächig" aufschlägt. eränderung der Anstrichstelle
selbst bewirken.)
Schließlich sind für den Wohlklang
eines Klaviers auch die Stege, Rippen und die Beschaffenheit des
Resonanzbodens wichtig.
Tabelle 3/1. Testergebnisse eini-ger Mensur-Messungen
an ver-schiedenen Instrumenten -angegeben sind die klingende
Drahtlänge sowie die Draht-nummer, den einzelnen Tönen
zugeordnet |
Im höchsten Diskant legt man den Anschlagpunkt möglichst
weit vom Resonanzbodensteg entfernt, um keine Klopfgeräusche
zu erzeugen. |